Arbeitslager die Zweite
Als zwei reisegeplagte Backpacker in Perth ankamen und sich nach einem Tag Entspannung aufmachten um in einer Jobvermittlung einen angenehmen und gutbezahlten Job zu finden nahm das Unheil seinen Lauf.
Mit der Absicht in einer Moerenfabrik zu arbeiten und den ganzen Tag entspannt Karroten nach Groesse zu sortieren landeten wir letztendlich auf einer Farm und sollten dort fuer's "thining und picking" verantwortlich sein. Nach der Meinung der Arbeitsvermittlerin, ganz einfache und entspannte Arbeit. Sie hatte anscheinend von dieser Arbeit soviel Ahnung wie ich vom Stricken...
Nichts ahnend fuhren wir dann ganz zuversichtlich zu dieser Farm wo wir auch mit offenen Armen entfangen wurden. Was uns vorkam wie die so oft erwaehnte Freundlichkeit der Australier, lag eher der Verzweiflung zu Grunde da die Farm zu diesem Zeitpunkt voellig unterbesetzt war und sie mit der Arbeit um Wochen zuruecklagen.
Man fuehrte uns nach dem freundlichen Empfang auch gleich zu unserer neuen Wirkungsstaette. Ein Feld aus ca. 600 Nektarienenbaeumen, wo uns kurz gezeigt wurde was wir zu tun hatten. Wir sollten nur eine bestimmte Anzahl von heranwachsenden Fruechten an einem Ast lassen und den Rest entfernen ohne natuerlich Blaetter dabei versehendlich abzureizen.
Bis nach der Mittagspause war auch alles ganz entspannt und wir empfanden die Arbeit auch nicht als belasten oder schwer. Wir arbeiteten in einer fuer den ersten Tag guten Geschwindigkeit und waren uns keiner Schuld bewusst. Doch als dann "Opa" oder auch genannt "der Kerkermeister", der Vater des eigentlichen Besitzers der Farm auftauchte und uns fragte wie's so laeuft, lies er beilaeufig den Satz fallen ob wir nicht schneller arbeiten koennten. Wir haben uns da vorerst nichts draus gemacht und dachten es waere eine Art verkappter Scherz von ihm, da er auch irgentwie gelaechelt hat waehrend der Befragung.
Es war kein Scherz wie wir in den naechsten Tagen herausfinden sollten...
Am zweiten Tag wurden wir dann gleich auf die sogenannten "cherrypicker" eingewiesen die wir auch nie wieder verlassen sollten. Es sind diese fahrenden Hebebuehnen die unser neues Arbeitsuntensil wurden. Mit Hilfe dieser konnten wir den ganzen Baum bis in die Spitze bearbeiten und hatten damit mehr als das doppelte zu tun als vorher. Als uns dann vom Sohn auch gleich mit auf den Weg gegeben wurde schneller zu werden und keine Ruecksicht auf die Blaetter zu nehmen sollte uns gleich noch eine zweite Problematik zu Teil werden. Denn als wir uns voller Tatendrang dann ueber die Baeume hermachten ohne Ruecksicht auf Verluste wurden wir von einem leicht erbosten Opa etwas lautstark "gebeten" nicht die Blaetter mit abzureizen. Nur so zur Erinnerung, die Aussage seines Sohnes klang ein wenig anders...
Von da an wussten wir dann auch wer das Sagen auf der Farm hatte, was fuer uns nicht gerade von Vorteil war. Und so ergaben wir uns dann unserem Schiksal.
Wir suchten anfangs streckenweise zuflucht im Alkohol, doch auch er sollte nichts gegen unseren Alptraum in gestallt von Opa ausrichten koennen. So blieb uns nur die Hoffnung auf neue Opfer fuer den Gefuerchteten, so dass wir aus seinem Blickfeld entweichen. Doch auch die neuen uns folgenden Insassen des Arbeitslagers liessen ihn nicht seinen Focus von uns nehmen und wir blieben seine "Lieblinge".
Thomas hatte wie schon vorab geplant nur 3 Wochen abzusitzen und nahm es daher mehr mit Humor soweit es ging. Doch mir stand eine etwas laengere Taetigkeit bevor, was mich nicht ganz so optimistisch in die Zukunft blicken liess.
Zusammen mit Thomas war es aber noch ganz ertraeglich zu arbeiten, da wir die selbe Reihe von Baeumen bearbeiteten jeder auf einer Seite vom Baum. So konnten wir uns die ganze Zeit unterhalten und unsere Scherze ueber Opa machen doch nach und nach wurden seine Besuche und zur "Motivation" angedachten Aussagen immer nervender und uns verging auch bald darauf die Lust am Scherzen.
Als Thomas mich dann Richtung Norden verlies brach eine etwas einsamere Art des Arbeitens an und gestalltete alles ein wenig langweiliger als zuvor. Von diesem Zeitpunkt an arbeitet ich mehr oder weniger allein bis auf die Zeit des Erntens, wo mir dann die grosse Ehre zu teil wurde mit meinem "Peiniger" zusammen zu arbeiten. In dieser Zeit sehnte ich mich dann nach der Einsamkeit beim "Ausduennen" der noch nicht erntebereiten anderen Baeume.
Um einen kleinen Eindruck von den Ausmassen der Farm zu bekommen der nicht ganz den Bildern zu entnehmen ist, hier ein paar Zahlen. Auf der Farm gab es ca. 1500-2000 Nektarienbaeume und ca. 3-4 mal soviele Apfelbaeume, und all diese Baeume zaehlten zu meinem Arbeitsgebiet. Es gab auch ein riesiges Rosenfeld mit Tausenden von Rosen verschiedener Arten, aber die interessierten mich weniger da sie nicht zu meinem Wirkungsgebiet zaehlten. Somit gab es auch keine noch so kleine Hoffnung auf Verbesserung der Arbeitsverhaeltnisse bzw. wenigstens ein wenig Abwechslung denn es gab genug Baeume fuer 3 Monate.
Den Englaendern, mit denen ich auf dem schon erwaehnten Campingplatz dieser Zeit wohnte, wurde ein weit aus abwechslungsreicheres Arbeiten zu teil. Sie waren als Muttersprachler Opas wahre Lieblinge und hatten somit auch um einges mehr Abwechslung auf der Farm. So haben sie zum Beispiel die gepfluegten Fruechte sortiert, abgewogen und verpackt (absoluter einfacher Job, und vor allem in der kuehleren Lagerhalle) oder haben fuer die veredelung der Rosen Rosenstiele entdornt im Stuhl sitzend bei Musik in der Lagerhalle. Sonst hatten sie die Aufgabe Rosen laut den Bestellungen fuer den Transport vorzubereiten. Zum Ende unserer Zeit hat Opa auch ab und an mal ein paar Bier springen lassen wenn er mit der Ernte zufrieden war. Er kam dann immer nicht darueber hinweg dass ich als Deutscher, quasi aus dem Land der Tausend Biere, kein Bier trinke bzw. keines der hier erhaeltlichen.
Als Opa und sein Sohn dann irgentwann auch selbst mal wieder in die Reihen gefahren sind um "Auszuduennen" waren sie nicht wirklich schneller als ich und stressten mich von da an auch nicht mehr mit ihrem bloeden Motivationsmethoden (von wegen schneller usw.).
Australier waren auf der Farm eher rar gesaeht, da diese Arbeit nicht wirklich zu der australischen Mentalitaet passte und um einiges zu "unangenehm" fuer sie ist.
Wir hatten einen einzigen Aussi auf der Farm und dieser war auch mit Abstand der "schnellste" Arbeiter. Man hat schon ab und an mal darueber nachgedacht mal seinen Puls zu fuehlen um sicher zu gehen dass er nicht schon von uns gegangen ist. Er ist gleich ueber dem gluecklichsten Farmanwesenden in der Bilderreihenfolge zu finden.
Alles in allem war es wahrscheinlich schon mal eine Erfahrung wert auf einer Farm zu arbeiten, doch es hat mich auch davon ueberzeugt nie wieder auf einer zu arbeiten.
Es ist doch schon sehr angenehm seinen Kopf bei der Arbeit benutzen zu duerfen und nicht nur stupide Arbeitsablaeufe zu wiederholen. Erinnert mich irgentwie an die Bundzeit, am besten waehrend der Arbeitszeit das Gehirn ausschalten und einfach nur machen.
Ist keine wirklich erstrebenswerte Arbeit die einige auf der Farm ausfuehrten und sie unterforderte sogar die Kleingeister der hier Anwesenden.
Das soll schon was heissen...